Triggerwarnung, Suizidgedanken. Wenn du das liest, lies bitte bis zum Ende. Denn ich hätte diesen Text, den ich mir selbst am 01.08.22 geschrieben habe, niemals veröffentlicht, wenn sich danach nicht etwas grundlegendes verändert hätte.
01.08.22
Manchmal frage ich mich, wann dieser Punkt erreicht ist.
Der, an dem alles zu viel wird. An dem alles einstürzt. An dem ich die inneren Mauern nicht mehr halten kann, die Wellen zusammenschlagen und alles mit sich reißen. Der, an dem jedes kleine, noch vorhandene Gefühl taub wird und den letzten Rest Angst überwindet. Die Angst aufzugeben. Alles hinzuschmeißen, dem allem ein Ende zu machen.
Ich frage mich auch oft, wie viel ein Mensch ertragen kann. Für wie viel Leid sind wir gemacht, bevor wir die Emotion nicht mehr halten können?
Wenn ich davon rede, wie viel Leid ich ertragen habe, dann schäme ich mich. Dann denke ich mir, es gibt so viele Menschen auf der Welt, die schlimmeres erlebt haben. Die jeden Tag Hunger, Gewalt und Krieg ausgesetzt sind.
Gibt es da ein schlimmer und weniger schlimmer? Ist nicht beides dieselbe Angst? Zu Versagen, nicht zu überleben – Todesangst? Die Emotion dahinter wird dieselbe sein.
Manchmal gibt es Tage, da kann ich einfach nicht mehr. Da will ich jeden von mir stoßen, nichts mehr fühlen, niemanden sehen und mich tief vergraben. Ich will aufhören, zu existieren, ohne sterben zu müssen. Ich will das nicht mehr, das, was sich Leben nennt.
Ist das Leben? Das Leben den anderen widmen, nur um zu überleben.
Ist das Leben? Egal was wir tun, irgendwie machen wir es doch nie für uns. Am Ende geht es immer um Anerkennung, Zugehörigkeit, Geld.
Ich bin es Leid, das alles allein zu machen. Ich geh im Kopf immer und immer wieder die Menschen in meinem Leben durch. Wie sie mich verlassen haben, wie ich sie von mir gestoßen hab. Wie da irgendwie nie jemand von Dauer war.
Wie es schon als Baby angefangen hat, das nie gewollt war, immer zur Last fiel. Immer zu viel war.
Freundschaften, die immer geduldet haben, nie gemocht.
Männer, die mich ausgenutzt haben, emotional oder für Sex – völlig egal. Nie mit dem wirklichen Gefühl dahinter. Nie mit Liebe. Bis sie gingen oder ich sie von mir gestoßen hab, weil ich ihre Masken durchschaut habe. Weil ich geliebt werden wollte.
Ich bin es leid, allein zu sein.
Es gibt Tage, da zerreißt mich der Gedanke an meine Familie. Wie wir früher jeden Sonntag zusammen verbracht haben. Mein Bruder, meine Schwester und ich.
Wie wir weniger wurden, als mein Bruder ging.
Wie wir wieder mehr wurden, als meine Nichten da waren. Wie Leben in diesem Haus war. Wie ich mich nach 3 h zurückziehen musste, weil mir alles zu viel wurde. Wie sie hinten in meinem Auto einen Wettbewerb veranstaltet haben, wer lauter ist. Und doch liebe ich jeden Moment davon. Jede Sekunde Erinnerung. Nichts davon ist mehr da. Keiner ist mehr da. Wie sehr wünsche ich es mir jetzt zurück. Wieso vermissen wir Dinge immer erst, wenn sie weg sind?
Manchmal kann ich nicht mehr. Manchmal frag ich mich, wozu ich mir die Mühe mache. Wozu arbeiten, wozu Gedanken machen, wozu die Tränen, wenn der Tod nur verzögert ist? Ob heute oder in 50 Jahren, was ist der Sinn daran?
Manchmal frage ich mich, ob ich es aufgeben sollte, mich zu lieben. Es aufgeben, die Menschen um mich herum lieben zu wollen. Denn ich hasse mich. Ich hasse alles an mir. Meinen Körper, der mich im Stich lässt. Meine Unsicherheit, das Zittern, mein fehlendes Talent, mein Übergewicht, meine Esssucht, meine fehlende Kontrolle, meine Müdigkeit, meine Schlaflosigkeit, meine Angstzustände, meine Nase, meine Falten, mein dickes Gesicht, mein Doppelkinn, meine Zähne, meine Lippen, meine Arme, meine krummen Finger und Beine, die fetten Oberschenkel, meine hässlichen Zehen und Platten Füße, meine breiten Hüften und den fetten Bauch, meinen nicht vorhandenen Arsch! Ich hasse alles!
Und wenn ich mich hasse, wie will ich die Menschen um mich lieben? Wie will ich erwarten, dass sie mich lieben?
Ich gebe es auf. Ich gebe auf, mich zu lieben, denn ich hasse mich.
Ich hasse es, nicht die Balance zu finden zwischen zu mir stehen und Menschen nicht um jeden Preis gefallen wollen und doch so nett zu sein, dass sie mich mögen. Ich bin es leid, von Menschen abgewiesen zu werden und nie dazuzugehören. Ich bin es leid, allein durchs Leben zu gehen und jede Entscheidung allein zu treffen. Ich bin es leid, dauernd Fehler zu machen und sie zu wiederholen, weil sie gewohnt sind und mir neues Angst macht.
Ich bin es leid, kaum Fortschritte zu machen und das immer selbe neu zu erleben.
Ich kann nicht mehr allein sein. 2020 war ich so kurz davor, mich für immer zu binden. Ich dachte, ich hab das gefunden, was ich immer gesucht hab. Der, der mich ergänzt. Der mich versteht, weil er dasselbe durch hat. Der, der mich so nimmt wie ich bin. Wie sehr ich mich getäuscht habe…
9 intensive Monate waren es – mehr als 3mal so lang braucht es für die Heilung. Und je länger, desto weiter weg ist sie, diese Heilung. So fühlt es sich manchmal an.
In jedem neuen Mann seh ich Angst. Mit jeder neuen Begegnung werden meine Mauern wieder hochgerissen.
Und ich kann nicht mehr. Ich will mich fallen lassen, will vertrauen. Will was Echtes, was Gutes. Und in Wirklichkeit nehme ich immer die, die nicht wollen, setze Hoffnung rein und bin wieder am Boden zerstört. Immer und immer wieder. Nur um nicht wieder vertrauen zu müssen. Und nein, das Wissen darum bringt dir nichts. Sonst könntest du ja auf Knopfdruck glücklich sein.
2021 war das Jahr, das mich all meine Energie gekostet hat. Als die halbe Familie ging, ich mich von diesem Menschen lösen MUSSTE, um mein Leben wieder zu leben. Alles, was ich in diesem Jahr verdrängt habe, um zu überleben, um etwas zu erschaffen und mich neu zurechtzufinden, all das trifft mich jetzt 2022 mit voller Wucht. Ich weiß nicht mehr wo hinten und vorne ist, was wichtig ist und was nicht, wo ist der Anfang, wo das Ende? Wie funktioniert das Leben, wer bin ich und was ist meine Aufgabe? Wie setze ich um, wie starte ich? Was bin ich wert? Bin ich etwas wert? Oder wäre die Welt ein besserer Ort ohne mich? Wie viele Menschen habe ich verletzt? Lässt sich das jemals wiedergutmachen? Wo ist mein Platz? Und mit wem? Wäre für immer alleine sein die bessere Wahl? Oder muss ich Menschen ertragen, die in mir immer wieder neue Wut auslösen? Nur um mich weniger einsam zu fühlen? Und wieso fühle ich mich einsam unter Menschen?
Wie lange dauert Heilung? Wie viel kommt da noch hoch? Was versteckt sich da? Wieso tut es so weh? Ist der Mensch dazu gemacht, so viel zu ertragen? Wie viel Emotion können wir gleichzeitig verarbeiten, ohne zu sterben? Vielleicht sollte ich aufhören zu kämpfen?
Ich bin den Kampf leid. Den Kampf gegen mich. Gegen die Depression. Ich will aufgeben, mich hingeben. Mich auflösen. Dem Tod vertrauen.
Manchmal frag ich mich, ob ich jemals ein Leben ohne Depression kannte? Wie geht es andern? Wie muss sich wirklich Leben anfühlen?
Sag mir,
wie ist das, jeden Morgen voller Energie aufzustehen?
wie ist das, wirkliche Freude zu empfinden?
wie ist das, mit Selbstvertrauen und ohne Angst durchs Leben zu gehen?
wie ist das, ohne Selbstzweifel, ohne Tränen, die jederzeit darauf warten, auszubrechen?
wie ist das, sich einfach fallen zu lassen, Kontrolle loszulassen und zu vertrauen?
wie ist das, wenn du nicht 1000 Gedanken gleichzeitig hast, die sich non stop, Tag und Nacht schwindelerregend schnell drehen und du bringst keine Ruhe rein?
wie ist das, wenn sich die Welt auch ohne Alkohol und Drogen langsamer dreht?
wie ist das, nachts aufzuwachen und einfach weiterzuschlafen, ohne Panik, ohne Angst, ohne lähmenden Schrecken?
Wie ist das, zu leben?
Manchmal frag ich mich, ob es jemals so sein wird. Ob es jemals vergehen wird, besser wird und ich erfahre, was leben ist.
01.12. 2022
Es sind 5 Monate vergangen und heute lese ich diesen Text zum ersten Mal wieder. Ich hatte damals einen wirklich schlechten Tag, an dem einfach alles zuviel wurde, alles auf einmal auf mich einprasselte und die Emotionen sich anfühlten, als würde ich mich gleich auflösen.
Wieso ich ihn trotzdem mit dir teile?
Weil danach etwas unglaubliches passiert ist!
Ich konnte mich selbst akzeptieren.
Dadurch, dass ich mir eingestanden habe, wie sehr ich mich hasse und wie wenig ich mich akzeptiere, ist genau das passiert. Ich habe all den Hass gegen mich losgelassen und kam bei mir selbst an.
Ich habe in den Monaten danach in einen anderen Bewusstseinszustand gewechselt, in dem ich zwar noch durch viel Schmerz durch musste, aber dankbar dafür war. Der Schmerz war ein anderer. Es war nicht mehr dieses verzweifelte Gefühl, hilflos ausgeliefert zu sein.
Es wurde vielmehr zu einem Schmerz, der mir all das in mir gezeigt hat, was sich gerade wandelt. Was in mir arbeitet und was hinter dem Schmerz liegt.
Ich durfte mit jeder neuen Begegnung, die darauf folgte, mit jeder Erfahrung, der ich mich stellte, hinter die Angst schauen.
Und weißt du was ich gemerkt habe? Dass die Angst es nicht wert ist, vor ihr Angst zu haben. Dass ich ALLES überlebe, dass nichts davon mir wirklich gefährlich werden kann.
Das Bauchgefühl uns nur die Richtung zu unserer Angst weißt und wir uns genau dem stellen müssen, um sie zu überwinden. Dass Angst nur losgelassen werden kann, wenn wir mitten durch gehen. Dass Angst niemals verschwindet, wenn wir das meiden, wovor wir Angst haben.
Es waren teilweise intensive 3 Monate, in denen unglaublich schnell und viel aufeinander folgend passiert ist. In der all meine Mauern aufgebrochen, meine Ängste gepackt und herausgezogen wurden und einfach verpufften.
Das, wovor ich immer Angst hatte, stellte sich als die heilvollste Erfahrung meines Lebens heraus.
Ich bin tatsächlich süchtig danach geworden, mich meinen Ängsten zu stellen, weil sie so verschwunden sind. Weil ich so unglaublich schnell gewachsen bin.
Ich hab mich bereitwillig den Menschen hingegeben, von denen ich wusste, dass sie mich voll mit meiner Angst konfrontieren werden. Von denen ich wusste, dass sie von mir das fordern werden, dem ich vorher aus dem Weg gegangen bin.
Ich hatte mich nach diesem Text oben entschlossen, mich voll zu öffnen. Nichts mehr von mir zu verstecken. Denn wieso verschließen wir uns? Weil wir Angst haben, verletzt zu werden. Wenn aber nichts mehr schlimmer ist, als der Tod allein, dann öffnest du dich. Dann schreckt dich alles, was kleiner als der Tod ist, nicht mehr ab.
Genau das hab ich getan. Habe jeden Menschen, der kam, voll reinschauen lassen. Hab nichts von mir versteckt. Hab sie mich nehmen und sie wieder gehen lassen. Damit sie mich mit meiner heftigsten Angst konfrontieren – der Verlustangst. Die, die sich mein ganzes Leben durchzieht. Nie gewollt, nie erwünscht, immer verlassen worden, immer Menschen aus dem Leben geworfen, bevor sie mich verlassen.
Wenn ich zurückblicke, hab ich mir unglaubliches angetan, nur um das verlassen werden zu vermeiden oder andere vorher zu verlassen. Ich habe mich selbst so sehr dafür gehasst, dass mich keiner dafür lieben konnte.
Habe von anderen verlangt mich zu lieben, damit ich mich lieben kann.
So funktioniert das nicht.
Wenn wir uns lieben, DANN können wir geliebt werden.
Menschen spiegeln uns nur all das, was in uns vorgeht. Wie wir mit uns reden, reden sie mit uns.
Wie wir für uns empfinden, so empfinden sie für uns.
Ausnahme: wenn du dich liebst und sie sich nicht, dann können sie nicht mit deiner Selbstliebe umgehen. Denn dann sehen sie dich mit all ihren Defizite, die sie selbst gerne schließen würden, durch deinen Spiegel konfrontiert.
Ich habe akzeptiert, dass mein Leben nie langweilen werden wird. Dass ich immer die Trigger und Konfrontation suchen werde, um mehr zu mir zu finden. Dass ich eben selbst toxisch bin und so immer toxische Erlebnisse anziehen werde. Dass ich niemals „normal“ sein will, sondern mich so lieben will wie ich bin. Dass ich keine Menschen und deren Anerkennung brauche, ich sie alle loslassen kann und Hate mich nicht mehr interessiert.
Weil Hate keine Kritik an mir ist, sondern Neid, dass ich so zu mir stehe und all das mache, was sie in ihrer eigenen Schwärze versuchen zu verstecken.
Ich habe verstanden, dass jedes psychische Leiden, jede meiner jahrelangen Depressionen nur davon kam, dass ich versucht habe mich anzupassen. Mich selbst hintergangen, betrogen, versteckt und belogen habe, um irgendwie dazuzugehören. Hab mich nie als Teil des Systems gesehen und wollte doch dazugehören.
Erst durchs zulassen, habe ich erlebt, dass es auch andere wie mich gibt. Die genau das durchmachen wie ich, nicht dazugehören zur breiten Masse, dem selben Hass begegnen und wir gemeinsam eins sind.
Irgendwie anders sind, irgendwie gemeinsam einsam. Irgendwie der Stoff für all meine Gedichte und Gedanken.
Irgendwie so wertvoll und einzigartig und liebenswert. Diese unglaublichen Menschen.
Ich bin unglaublich dankbar für 2022. Für jeden Menschen! Für D, A, A, S und X.
Ganz besonders für S, weil kein Mensch jemals so tief und gezielt in mir gegraben hat und alles hochholen konnte wie er. Weil kein Mensch vorher jemals mich so schnell durchschaut hat und innerhalb kürzester Zeit mich in die Achterbahn der Ängste geworfen hat. Um mich dann dort stehen zu lassen und nicht mal mehr zuzusehen, wie ich alleine rauskomme. Du warst der größte Gewinn bisher und bist dir deiner Fähigkeit nicht mal bewusst.
Für X, die mich ständig und immer wieder mit allem in mir konfrontiert. Mich an die Grenzen treibt und immer wieder zurückholt.
Die einen mussten gehen, um mir zu zeigen, welche Lücken ich noch schließen darf. Andere haben mich von sich gestoßen und wieder zurückgeholt, um mir meine Grenzen zu zeigen und dass ich trotzdem liebenswert bin. Diese Menschen sind Gold wert!
Ich liebe diesen Zustand jetzt. In dem ich all meine Lücken und den Schmerz durchgehend fühlen kann und zeitgleich glücklich voll in mir ruhe. In dem ich all die hasserfüllten Menschen lieben kann. Sie loslassen kann, weil sie das so wünschen, und sie dafür nicht hasse. Eine Art duales Bewusstsein. Voll bei mir, voll eins mit mir, der Wut, dem Hass und der Liebe zu mir.
Weil ich selbst den Hass mir gegenüber akzeptieren kann.
Damit meine ich nicht, dass ich keinen Schmerz mehr empfinde. Dass ich keine Situationen habe, in denen Wut hochkommt. Oh, ich bin nach wie vor impulsiv. Vielleicht sogar mehr als vorher, da ich jetzt meine Emotionen rauslasse, wenn sie hochkommen. Weil sie zu mir gehören. Weil ich nichts zurückhalten muss, was zu mir gehört. Weil das Selbstliebe ist.
Mich mit all den schwarzen Anteilen in mir zu akzeptieren. Mich selbst mit all dem in mir anzunehmen, auch dem Teil, der mich selbst nicht mag. Weil genau dieses Annehmen so schwer zu beschreiben ist und du es nur verstehst, wenn du es selbst erlebst.
Weil es zu paradox ist für unseren Verstand.
Weil wir nur lernen, wenn wir den größten Schmerz durchleben, dahinter blicken und ihn als das erkenne, was er wirklich ist. Ein Teil von uns, der nicht verändert werden muss. Der genau so wie er ist, da sein darf. Der jederzeit durchscheinen darf.
DAS ist Selbstliebe. Das bin ich. Das bist du.
Das war der Swift, an dem ich erkannt habe, was meine jahrelangen Depressionen waren und wieso sie plötzlich einfach verpufft sind.